Der Sultan und sein Sklave

Im 11. Jahrhundert herrschte im heutigen Iran die Dynastie der Ghaznawiden. Der berühmteste ihrer Regenten war der Sultan Mahmud von Ghazna. Nach heute bekannter Forschungslage wird unter historischen Wissenschaftlern davon ausgegangen, dass dieser Herrscher sich homosexuell orientiert hatte. In der persischen Dichtung seiner Zeit finden sich zahlreiche Hinweise auf einen jungen Sklaven an seinem Hof mit dem Namen Ayaz. In den Texten lässt sich ihre Liebesgeschichte nachverfolgen.

Nun ist im gottestaatlichen Iran des 21. Jahrhunderts Homosexualität unter Todesstrafe verboten. Das sich auf den Islam berufende Regime fühlt sich damit völlig im Recht, und Hinrichtungen von vermeintlich homosexuellen Männern ist beinahe an der Tagesordnung. Sehr paradox, dass eine Gesellschaft, die auf Kunst, Literatur und Weltoffenheit begründet war, sich nun derart in Verruf bringt, was menschliche Grundrechte und Selbstbestimmung von sexueller Identität angeht.

2005 kritisierte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International die Hinrichtung von Minderjährigen anlässlich der Todesstrafe, die gegen zwei Jungen wegen ihrer ,,homosexuellen Handlungen“ verhängt wurde: Die Namen der beiden waren Mahmoud und Ayaz. Die Ironie aufgrund des historischen Hintergrundes trug unter anderem dazu bei, den Tod der beiden zu ikonisieren: Ein Volk, dessen reiche Liebesepik die persische Sprache berühmt machte, steht nun in Verbindung mit dem grausamen Schicksal zweier Jungen, die dadurch unvergesslich bleiben.

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